GEORG LUKÁCS: DIE THEORIE DES ROMANS
TEXTKRITISCHE EDITION
Bei Georg Lukács’ Die Theorie des Romans handelt es sich unbestreitbar um einen Klassiker der modernen Literaturtheorie; dies nicht nur, weil er für die materialistische Ästhetik, sondern auch für zahlreiche literaturtheoretische und philosophische Debatten des 20. Jahrhunderts einen maßgeblichen Anknüpfungs- bzw. Abstoßungspunkt darstellt. Trotz allem steht bis heute eine textkritische Edition dieses einflussreichen Textes aus.
Im Rahmen des Forschungsprojekts beabsichtigen wir, eine solche textkritische Edition zu erarbeiten, die erstmals das überlieferte Material zu Die Theorie des Romans vollständig philologisch aufbereitet und präsentiert, um so einen Nachvollzug des gesamten dokumentierten Arbeitsprozesses von Lukács an diesem Text zu ermöglichen.
Der Schwerpunkt der Edition wird auf dem Entwurfsmanuskript von 1916 liegen. Es handelt sich hierbei um ein Konvolut von 44 mitunter beidseitig beschriebenen großformatigen Blättern, die Lukács’ intensive Textarbeit dokumentieren. Der Ertrag einer Edition dieses Entwurfsmanuskripts besteht zum einen darin, rund zehn Prozent zusätzliches Textmaterial lesbar machen zu können, das Lukács weder in den Erstdruck (1916) noch in die Erstausgabe (1920) übernommen hat. Zum anderen bietet die Dokumentation der Handschrift detailliert Einblick in die Textentstehung. So wird nicht nur auf die an den Überarbeitungen ablesbare Denkbewegung von Lukács reflektiert, sondern auch die Entwicklung der für Die Theorie des Romans so charakteristischen Sprachgestalt untersucht werden können. Dazu zählt insbesondere Lukács’ Arbeit an Motiven und Denkbildern.
Vom Entwurfsmanuskript ausgehend lässt sich anhand weiterer Überlieferungsträger - darunter etwa die Handschrift und das Typoskript vom »Vorwort (oder Nachwort)« von 1962, das Lukács der zweiten Auflage von 1963 voranstellte - der gesamte Schreib- und Drucklegungsprozess von Die Theorie des Romans bis zur letzten autorisierten Ausgabe von 1963 nahezu lückenlos nachzeichnen.
Neben diesen ›Textträgern‹ im engeren Sinn wird die Edition Überlieferungsträger aufnehmen, die - geführt als ›Dokumente‹ - dem Arbeitsprozess von Lukács an Die Theorie des Romans zugerechnet werden können und/oder die konkrete Aussagen von Lukács über den Text enthalten. Diese Dokumente sind besonders wertvoll, da sie erlauben, die schrittweise Umdeutung und Neubewertung des Textes durch Lukács zu rekonstruieren, die sich in seinem späteren Vorwort zur zweiten Auflage von 1963 ausformuliert findet. Zu diesen Dokumenten zählen neben Briefen und der Verlagskorrespondenz mehrere Manuskripte, Entwurfsschriften und Typoskripte aus der Zeit zwischen 1920 und 1963.
Die Textkritische Edition ist als Online Edition konzipiert. Die erhaltenen Textträger und Dokumente zu Die Theorie des Romans werden vollständig faksimiliert und (im Fall der Manuskripte) mit zugehörigen standgenauen, zeichen-, zeilen- und seitengetreuen Umschriften präsentiert.
Die Textkritische Edition als Online Edition anzulegen, begründet sich vor allem aus der Notwendigkeit einer direkten Verlinkung der Textzeugen untereinander, um deren komplexes Verhältnis abzubilden, Textverschiebungen nachvollziehbar zu machen und nachträgliche Einfügungen zu lokalisieren.
Martin Endres & Maximilian Huschke