»POËTISCHE INDIVIDUALITÄT«
HÖLDERLINS EMPEDOKLES-ODE
{Leseprobe}
Die um 1797 entstandene Ode Empedokles fällt gemeinsam mit dem sogenannten Frankfurter Plan in die Anfangszeit von Hölderlins Beschäftigung mit der Empedokles-Thematik, die etwa ein Jahr später in den ersten Dramenentwurf und schließlich in zwei theoretische sowie zwei weitere szenische Entwürfe führte. Die bisherige literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Empedokles-Komplex Hölderlins beschränkte sich beinahe ausschließlich auf die Dramen bzw. die poetologischen Studien Grund zum Empedokles und Das untergehende Vaterland und hat die Ode wenn, dann nur am Rande in die Analyse miteinbezogen. Daß sie hingegen als programmatisch für den spekulativen, transzendentalphilosophischen und poetologischen Gehalt der Trauerspiele und der theoretischen Schriften anzusehen ist, wurde bis dato nicht hinreichend reflektiert.
In Form einer Wort-für-Wort vorgehenden Interpretation reflektiert die Studie die Empedokles-Ode erstmals in ihrem poetischen Eigenwert und liest sie als einen zentralen Text für alle weiteren Arbeiten Hölderlins zu diesem Stoff. Die Ergebnisse der Interpretation eröffnen zugleich eine neue Perspektive auf Hölderlins Konzeption der ›poëtischen Individualität‹ und seine Poetik des ›Erinnerns‹ und erschließen so neue Zugänge zu seinen Texten.
Der textnahen Lektüre der Empedokles-Ode sind theoretische Überlegungen zum methodischen Vorgehen sowie zur Metrik vorangestellt, die ausgehend von den Momenten ›Prozeß‹ und ›Struktur‹ die Poetizität und Individualität literarischer Texte allgemein zu denken versucht. Überdies enthält die Arbeit eine Textkritische Neuedition aller erhaltenen Überlieferungsträger der Ode, die die Entstehung des Textes sowie die poetische Verfahrensweise Hölderlins nachvollziehbar macht.
MARTIN ENDRES MONOGRAPHIEN